Freitag, 27. September 2013 | 19.30 Uhr Nach der Postmoderne: Die Rechnung mit drei Unbekannten V ortrag von Dirk Baecker (Kultursoziologe) Allmählich stellt sich heraus, dass die Postmoderne sich einer Illusion verdankt. Die Welt wird nicht beliebiger, seit sich die Vernunft der Moderne verabschiedet hat, sondern unberechenbarer. Im Grunde genommen w ar das auch bereits die Pointe bei Paul Feyerabend. 'Anything goes' sollte ja nicht heißen, dass alles möglich ist, sondern dass man im Labyrinth der Möglichkeiten nahezuüberall anfangen kann und doch auf nichts anderes stoßen wird , als die Komplexität de s Labyrinths der Möglichkeiten. Dass die Welt unberechenbarer wird, ist jedoch auch eine schlechte Nachricht für die Annahme einer Dialektik der Aufklärung, wie sie Max Horkheimer und Theodor W. Adorno aufgestellt haben. Es genügt nicht mehr, dem freien Me nschen den Menschen gegenüberzustellen, der seine Freiheit missbraucht. Es genügt nicht mehr, dem Traum von der technischen Beherrschung der Welt den Albtraum der Unterwerfung des Menschen unter die von ihm geschaffenen technischen Zwänge gegenüberzustelle n. Und es genügt nicht mehr, auf die Zweideutigkeit von Fortschritt und Dekadenz, von wachsendem Wohlstand und immer größerer Selbstvergessenheit hinzuweisen, um sich auszumalen, was die Zukunft uns wohl bringen wird. Stattdessen bekommen wir es mit drei U nbekannten zu tun, mit dem undurchschaubaren Individuum, mit den unergründlichen Dingen und mit einer unvorhersehbaren Zukunft. Glaubte die Postmoderne noch, dass jetzt alles möglich ist, so stellen wir in der aktuellen Wissensgesellschaft fest, dass diese drei Unbekannten produktive Operationen, gleichsam zugleich Aktivposten und Einschränkungen sind. Es ist zwar möglich, diese Unbekannten fundamentalistisch zu ignorieren und so zu tun, als wüsste man, womit man es zu tun hat. Aber mehr Komplexität lässt s ich bewältigen, wenn man die Rechnung nicht gegen die Unbekannten macht, sondern mit ihnen. Dr. Dirk Baecker, Professor für Kulturtheorie und - analyse an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen am Bodensee. Arbeitsgebiete: soziologische Theorie, Kultu rtheorie, Wirtschaftssoziologie, Organisationsforschung und Managementlehre. Jüngere Veröffentlichungen: Wozu Theater? (Berlin 2013) und Beobachter unter sich. Eine Kulturtheorie (Berlin 2013
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